Börsenweisheit „Sell in May and Go Away“– Stimmt sie? Was zeigt der Langzeitvergleich?

29. April 2025
3 Minuten

„Sell in May and go away“ ist eine alte Börsenregel, die sich über Jahrzehnte hinweg gehalten hat und sinngemäß besagt, dass Anleger ihre Aktienbestände im Mai reduzieren und sich bis zum Herbst aus dem Markt zurückziehen sollten. Der Wiedereinstieg liegt typischerweise in den Monaten September oder Oktober. Doch was steckt hinter dieser Weisheit? Und ist sie für vermögende Privatanleger oder Family Offices überhaupt relevant?

Was hinter der Börsenweisheit steckt

Die Redewendung hat ihre Wurzeln im britischen Börsenjargon. Ursprünglich lautete sie: „Sell in May and go away, and come back on St. Leger’s Day.“ – ein Verweis auf den traditionellen Abschluss der britischen Pferderennsaison im September. Die Beobachtung dahinter: In den Sommermonaten war die Marktaktivität an den Börsen oft geringer, die Volatilität höher und die Renditen unterdurchschnittlich. Das sog. "Market Timing" hätte sich hier also gelohnt.

Doch wie verändert sich die Wertentwicklung des Kapitals, wenn nach dieser Regel investiert wird?

Langzeitvergleich von Buy and Hold vs. Sell in May
AURETAS Grafik; Kapitalentwicklung bei einem Startinvestment von 100 EUR in den S&P 500 Index.

Ein Blick auf die Zahlen: Buy & Hold schlägt Market Timing deutlich

Der Vergleich zeigt, wie sich zwei unterschiedliche Anlagestrategien seit Mitte der 1980er Jahre bei einem Investment in den S&P 500 Index entwickelt hätten – jeweils mit einem Startkapital von 100 EUR:

  • Buy & Hold: Das Kapital bleibt durchgehend im Markt investiert, unabhängig von saisonalen Schwankungen.
  • Sell in May: Bei dieser Strategie geht es darum, das richtige Market Timing abzupassen, damit der bestmögliche Wiedereinstieg gefunden wird.  Denn das Kapital wird jedes Jahr nur von Oktober bis April im Markt eingesetzt.

Bis zum 31.03.2025 hätte sich ein Buy & Hold-Portfolio auf knapp 2.147 EUR vervielfacht, während das saisonal gesteuerte Sell in May-Portfolio ca. 1.398 EUR erreicht hätte. Dementsprechend würde die Gesamtrendite des Buy & Hold Portfolios bei 2.047 % liegen, wobei das Portfolio, das nach der Sell in May Strategie aufgebaut wurde, nur eine Gesamtrendite von 1.298 % erreichen konnte. Somit hat sich eine klare Siegerstrategie herauskristallisiert: Hätte man nach der Buy & Hold-Strategie innerhalb des Zeitraums investiert, wäre die Gesamtrendite um knapp 749 %-Punkte höher ausgefallen als nach der Strategie der alten Börsenregel.

Warum saisonale Strategien heute ausgedient haben

Dass saisonale Strategien wie „Sell in May“ heute kaum noch Relevanz besitzen, hat mehrere Gründe:

  1. Digitalisierung: Anlegerinnen und Anleger können heute weltweit und in Echtzeit handeln. Marktzyklen verkürzen sich, Reaktionszeiten sinken – saisonale Muster verlieren an Bedeutung.
  2. Produktvielfalt & Anlegertypen: Moderne Kapitalmärkte bieten eine enorme Auswahl an Anlageprodukten. Außerdem haben die Anleger heutzutage einen vereinfachten Marktzugang durch sog. Neobroker-Portale.
  3. Globalisierung der Märkte: Ereignisse in Asien oder den USA wirken heute innerhalb von Minuten auf europäische Börsen.

Der Handel mit Wertpapieren ist heute internationaler, schneller und diversifizierter als zu der Zeit, in der diese Börsenregel entstanden ist.

Disziplin schlägt Kalenderlogik

Die Differenz zwischen den beiden Wertentwicklungen macht deutlich: Wer versucht, saisonale Effekte taktisch auszunutzen, verpasst häufig starke Erholungsphasen und unterschätzt die Kraft des Zinseszinses. Die Buy & Hold-Strategie profitiert dagegen vollständig von langanhaltenden Aufwärtsphasen.

Darüber hinaus entstehen beim halbjährlichen Umschichten zusätzliche Transaktionskosten, mögliche Steuerlasten und ein höherer Aufwand – ohne, dass sich daraus langfristig ein echter Vorteil ergibt.

Langfristige Marktteilnahme schlägt saisonales Market Timing – sowohl in der Wertentwicklung als auch in der Einfachheit.

Die Börse belohnt Geduld, nicht Timing. Gerade in volatilen Zeiten bewährt sich ein ruhiger und strategischer Anlageansatz. „Sell in May“ mag früher von Bedeutung gewesen sein – aber als Investmentstrategie ist heutzutage die Buy & Hold Strategie der klare Gewinner.

Über die Autoren

Lukas Kothrade
Relationship Manager
9 posts
Lukas Kothrade ist Relationship Manager bei AURETAS in Hamburg. Er schätzt die Vielfalt der Mandanten und die Möglichkeit, seine Investment-DNA zur Geltung zu bringen. Über die Praxis einzusteigen, direkt an Beratungsprojekten mitzuwirken und dabei die Mandantensicht, die strategische und die unternehmerische PERSPEKTIVE zusammenzubringen, das hat ihn direkt angesprochen. Schon früh faszinierten ihn Unternehmergeschichten und die Ökonomie. Neben Zertifizierung zum Fachmann für Finanzanlagen und zum Vorsorgeexperten sowie dem dualen BWL-Studium gründete er gemeinsam mit akademischen und unternehmerischen Mentoren und entdeckte sein Gespür für Mandantenbedürfnisse und Beratung.
Gut zuhören können, verstehen, wie Menschen denken und was sie brauchen, daran muss man ehrliches Interesse haben. Sonst wird das nichts. Als Dienstleister, davon ist Lukas überzeugt, gilt es zuerst zu fragen, was man für andere schafft. Denn daraus entsteht das Eigene. Er schaut ergebnisorientiert auf die Welt, manchmal ein bisschen ungeduldig. Zugleich liegt ihm der langfristige Blick, der sich aus OPTIMISMUS speist. Beides gehört in Balance gebracht. Seinen Ausgleich, neue Ideen und Energie findet er im regelmäßigen Abtauchen und Entdecken neuer Kulturen. Eindrücke, die man nicht direkt vor der eigenen Haustür findet.  Mit Menschen, deren Weltsicht und Erfahrung ihn bereichern.

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